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Kapitel 1

 

Ein letztes Mal schaute Ayaka mit einem sehnsüchtigen Blick auf ihre alte Heimat.

   >Ob ich jemals wieder hierher kommen werde?< Allmählich stiegen ihr erneut die Tränen in die Augen, aber die Braunhaarige blinzelte sie verärgert weg. Sie hatte die vergangene Woche schon genug geheult. Wenigstens heute wollte sie es bleiben lassen.

   „Ayaka! Komm wir wollen los, sonst verpassen wir noch den Flug!“ ihr Vater wurde langsam ungeduldig. Schnell nahm sie ihre Tasche und lief zum Auto. Wenn ihr Vater jetzt noch sauer werden würde, wäre der Tag komplett versaut.

   Als sie endlich in dem schwarzen Toyota ihres Vaters saß, erinnerte die 16 jährige sich an die vergangene Woche.


Kaum hatte das blauäugige Mädchen das Schulgelände betreten, kamen ihr auch schon ihre Freunde entgegen.

   „Guten Morgen, Ayaka!“ begrüßte Nyoko sie.

   Erst als sie direkt vor ihr stand sah sie wie ihre beste Freundin aussah. Sie hatte gerötete Augen, ihr Gesicht war Tränenverschmiert und sie hatte dunkle Augenringe. Es war einfach nur ein Bild des Grauens.

   „Was ist passiert?“ geschockt und gleichzeitig besorgt musterte die Schwarzhaarige sie. Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen schüttelte die Braunhaarig wieder ein heftiger Heulkrampf. Zwischen Tränen erzählte sie ihren Freunden die ganze Geschichte.

   „Was?“, ungläubig sah Kaito sie an, „Das können deine Eltern doch nicht machen!“

   „Machen sie aber.“ erwiderte Ayaka.

   Mittlerweile saßen sie auf einer Bank neben dem Haupteingang der Schule. Haru hatte seine Freundin in den Arm genommen und strich ihr beruhigend über das lange, braune Haar.

   „Das wird schon wieder.“ versuchte er sie zu trösten „Wir bleiben natürlich im Kontakt.“ Traurig nickte die 16 jährige.

   >Ob das klappt?< dachte sie währenddessen. Es war doch meistens so, dass nach eins oder zwei Jahren der Kontakt abbrach, aber das wollte sie jetzt lieber nicht laut aussprechen. Kurz darauf klingelte die Schulglocke und sie mussten zum Unterricht.

   In der ersten Stunde hatten sie Geschichte. Ayaka starrte die ganze Zeit nur aus dem Fenster und bekam nichts von dem, was die Lehrerin erzählte, mit.  

   „Ayaka. Ayaka! Hallo!?“ die angesprochene sah erschrocken in das Gesicht von ihrer Geschichtslehrerin.

   „Äh... ja! Was?“ war der geistreiche Kommentar den sie von sich gab.

   „Ich habe gefragt, wie die Kaiserin hieß, die von dem Jahr 707 bis 715 regierte.“ wiederholte Frau Hamada ihre Frage.

   „Ähm... keine Ahnung.“ gab das Mädchen zu. Seufzend drehte sie sich wieder zu der gesamten Klasse um

   „Weiß es jemand?“

   Kaum hatte die Lehrerin sich umgedreht wanderten Ayaka’s Gedanken wieder zu dem bevorstehenden Umzug. So verlief es die gesamte restliche Woche.  Sie war so gut wie gar nicht mehr ansprechbar und heulte mindestens vier Stunden täglich. Ihre Freunde versuchten sie zu trösten, aber jeder Versuch schlug fehl. Am letzten Schultag war es sogar noch schlimmer.

   >Morgen geht unser Flug nach Deutschland. Wieso ausgerechnet Deutschland? Das ist so furchtbar weit weg.< traurig blickte sie sich in ihrer Klasse um. Es war die letzte Schulstunde und die 16 jährige versuchte sich jedes noch so kleine Detail einzuprägen. Sie wollte ja nichts vergessen. Dann hörte man auch schon die Schulglocke laut und deutlich klingeln. Vor diesem Geräusch hatte sie schon die ganze Zeit Angst. Jetzt musste sie sich von ihren Freunden verabschieden. Ihr stiegen schon wieder die Tränen in die Augen. Langsam packte sie ihre Sachen zusammen und stand auf. Haru, Nyoko und Kaito warteten schon an der Tür vom Klassenzimmer auf sie.

   „Tja, dann heißt es wohl Abschied nehmen.“ sagte Nyoko. Ayaka konnte sehen, dass ihre beste Freundin ebenfalls Tränen in den Augen hatte. Die Schwarzhaarige versuchte sie offensichtlich zurück zu halten, was ihr allerdings nicht sonderlich gut gelang. „Ich werde euch so wahnsinnig vermissen“ war das einzige, was die Braunhaarige sagen konnte, bevor sie zu heulen anfing.

   Nachdem sie sich von ihren Freunden schweren Herzens verabschiedet hatte, ging sie direkt nach Hause. Sie musste noch ihre restlichen Sachen packen, deshalb konnte sie nach der Schule nichts mehr mit ihren Freunden unternehmen.

Die 16 jährige war so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Verärgert wischte sie sich über die Augen.  

   >Ich wollte doch nicht mehr heulen< tadelte sie sich selbst. Niedergeschlagen sah sie aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser. >Ich will nicht von hier weg!<
   Nach einer halben Ewigkeit, wie es Ayaka vorkam, waren sie am Flughafen angekommen. Mit traurigem Blick sah sie zu dem riesigen Gebäude vor ihr. Ihr Vater reichte ihr ihre Tasche und schloss dann den Kofferraum. In den Koffern waren nur ein paar ihrer Sachen, der Rest würde erst in ein paar Wochen nachkommen. Schweren Herzens schritt das Mädchen gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder durch den Haupteingang. Da ihr Vater häufig auf Geschäftsreisen musste kannte er sich bereits auf dem unübersichtlichen Flughafen aus. Zielstrebig steuerte er auf einer der Schalter zu. Sie mussten noch durch zahlreiche Sicherheitskontrollen, bis sie dann endlich ins Flugzeug steigen konnten.

   Wie mechanisch ging die 16 jährige an den vielen Sitzreihen vorbei bis sie endlich bei ihrem Platz angekommen war. Sie verstaute ihr Handgepäck und setzte sich dann neben ihren Bruder. Nach einer halben Ewigkeit hob dann die Maschine ab.

   „Schau mal! Die Gebäude sehen von hier oben so winzig aus. Das ist richtig cool!“

   >Na wenigstens kann sich einer freuen< dachte Ayaka missmutig.

   Ihr Bruder hatte kein Problem mit dem Umzug gehabt. Traurig blickte sie aus dem Fenster, das sich rechts neben ihr befand. Allmählich wurde ihre geliebte Heimat immer kleiner und kleiner und es fühlte sich so an, als würde ein Teil von ihr dort bleiben. Diesen Teil vermisste sie jetzt schon schmerzlich. Sie würde Haru und ihre anderen Freunde vielleicht nie wieder sehen, aber daran wollte sie jetzt lieber nicht denken. Die Brünette machte es sich auf dem Sitz einigermaßen bequem und schloss dann die Augen. Der Flug würde einige Stunden dauern und sie wollte versuchen wenigstens etwas Schlaf zu bekommen.

„Aufwachen, Schwester! Wir landen.“ Langsam öffnete sie ihre Augen und blickte verschlafen in das lächelnde Gesicht ihres Bruders.

   >Was wir landen? Schon? Ich hab wohl ziemlich lange geschlafen< schoss es ihr durch den Kopf.

   Es dauerte nicht sehr lange, bis das Flugzeug auf dem Frankfurter Flughafen gelandet war. Ayaka nahm sich ihre Tasche und lief hinter ihren Eltern her. Dabei hatte sie ihren kleinen Bruder an der Hand, damit dieser nicht verloren ging. Dem 7 jährigen passte das ganz und gar nicht, doch ihr war das gerade ziemlich egal.

   Nachdem die Familie Murasaki die Maschine verlassen hatte, warteten auf die vier wieder eine endlose Anzahl von Schaltern und Sicherheitskontrollen. Seufzend lief Ayaka weiter. Nach einer dreiviertel Stunde waren sie endlich fertig.

   Jetzt hieß es, erst einmal ein Taxi zu finden und in ihre neue Heimat zu fahren. Dabei handelte es sich um einen kleinen Ort in Rheinland-Pfalz namens Waldmohr. Der Ort hatte gerade mal ca. 5300 Einwohner. Im Vergleich zu Tokyo, Ayaka’s ehemalige Heimat, war das winzig. Die Fahrt würde weitere eineinhalb Stunden dauern. Bei dem bloßen Gedanken daran verdrehte die 16 jährige schon genervt ihre Augen. Sie wollte sich einfach nur in ein Bett schmeißen und die nächsten Stunden mit schlafen zubringen, aber dieser Wunsch wurde ihr natürlich nicht erfüllt.

   Mittlerweile hatte ihr Vater ein Taxi organisiert. Gemeinsam verstauten sie ihr Gepäck in dem viel zu kleinen Auto und setzten sich dann rein. Langsam setzte es sich in Bewegung. Jetzt hieß es abwarten.

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Kapitelfortschritt:

 

Halbblut

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Ayaka & das Drachental

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Projekt 120

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